Wo bleibt eigentlich Font-Shopping Teil 3?

Tja, der Beitrag liegt immer noch hier rum. Und ich hätte auch gerne noch ein paar Dinge anmerken wollen zu Einkaufswagenerlebnissen, Schriftmustern, Testworten, Rechnungsstellung und Auslieferung. Aber gerade zum Thema Distribution habe ich mich neulich auf Twitter wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, so dass ich von einigen Seiten was auf die Backe bekam.

Apropos Backe: irgendwie habe ich im Moment kein rechtes Händchen fürs Schreiben über Schriftdinge, zumindest nicht auf Englisch. Das führte letztens immer nur zu Missverständnissen. Vielleicht hat es auch etwas mit grundlegenden kulturellen Unterschieden in Diskursdingen zu tun. Jedenfalls scheint mir Deutsch gerade bisschen weniger Minenfeld.

Die tollsten Schriften des Jahres* (Teil 3)

* und andere typografische Ereignisse

Ich musste noch ein bisschen warten mit dem dritten Teil, sonst wäre die Serie nicht komplett. Aber der Reihe nach.

Mein Impulskauf des Jahres war die SangBleu von B & P. Die elegante Sippe (Sans und Serif) beruht auf einer anderen Schrift von Ian Party, die ich ebenfalls sehr mag, der Romain. Da sie ursprünglich für das Magazin gleichen Namens gestaltet wurde, gibt es auch sehr leichte und extrem schmale Display-Schnitte, die sich nur für ganz groß eignen. Die Serifenlose ist eine gute Alternative zur abgenudelten Optima (hallo Kosmetikhersteller!). Ich habe sie jedoch noch nirgendswo einsetzten können, irgendwie passt sie immer nicht recht, die Diva.

Sangbleu

Zwei neue Schrift-Info-Websiten gingen online. Erstens Typedia, ein ehrenwertes wiki-Projekt von Jason Santa Maria, in das alle Nutzer gemeinschaftlich Informationen und Muster zu Schriften einstellen. Es hat jedoch etwas gedauert, bis ich mich auf der Seite zurecht gefunden habe. Besonders die sehr seltsame Schriftklassifikation irritierte mich (inzwischen etwas verbessert), war aber eine gute Anregung, die anglo-amerikanischen Begriffe und Schubladen eingehender zu studieren. Auf der Seite tummeln sich zwar vor allem tausende Spaß-Schriften und freefonts und weniger ernstzunehmende Klassiker, trotzdem editiere ich ständig zwischendurch Einträge, vor allem “good deeds” – Vorsicht, ein Zeitkiller.

Myfonts hat nun einen deutschen Ableger, der mit Interviews und Hintergrundberichten locken möchte. Jan Middendorp, bereits Editor des englischen Newsletter, hat weitere Größen der deutschen Schriftszene ins Boot geholt, u.a. einen der besten, den wir auf dem Gebiet der Hand-/Schriften und Fonterkennung haben: Florian Hardwig.

Eines der größten Themen des Jahres war sicherlich die Diskussion um webfonts. Darüber habe ich ja schon in meinem typekit-Experiment berichtet und es finden sich Beiträge auf nahezu allen einschlägigen Seiten, z.B. bei Ilovetypography eine gute Zusammenfassung oder die Podiumsdiskussion der TypeCon auf der seit April diesen Jahres neu gestalteten typographica.org-Seite. Dan Reynolds wagte eine Vorhersage für 2010.

Im Herbst heiratet Mrs. Eaves nicht nur ihren Mr. Eaves, sondern es zog gleich noch ein Verwandter mit ein: Mr. Eaves Modern. Ich bin begeistert.

mr+mrs eaves Schriftmuster von FontShop

Für meine zweite echte Schrift-Liebe des Jahres musste ich jedoch bis Dezember warten: FF Yoga Serif + Sans von Xavier Dupré. Sie ist ein gelungenes »Best-of« einiger meiner Lieblingsschriften mit unübersehbarem Einflüssen: Smeijers-Punzen, Majoor-Serifen, Gill-Sans, bisschen Unger … da gibt es viel zu entdecken. Im Moment ist sie in nur zwei Gewichten lieferbar, regular und bold, je mit Kursiven und Kapitälchen. Das finde ich in Zeiten von endloser Interpolation erfrischend, da es mal wieder zu einer klaren typografischen Hierarchie herausfordert. Ich denke jedoch, dass das nicht ewig so bleiben wird, Display-Schnitte zumindest sind bereits in Arbeit.

Die Antiqua ist recht kräftig, dabei luftig zugerichtet und mit üppigem Wortabstand – somit klar auf Lesetext in kleinen Graden ausgerichtet und aufgrund der stabilen Serifen und Proportionen auch gut für Zeitungs- und Magazinsatz geeignet. Für Bücher sowieso. Die außergewöhnlichen Details (z.B. das g-Ohr) kommen dann in großen Größen toll zur Geltung, man kann die Yoga also auch gut für Überschriften und Display Anwendungen einsetzen. Bei beiden, Sans und Serif, würde ich aber die Laufweite etwas verringern und den Wortabstand verkleinern, macht sie knackiger.

Was ein guter Abschluss eines tollen Typo-Jahres!

Fröhliche Yoga

Kaffee-Kollektion erweitert. Heute: Karlsbader Kanne

Die objektive Testreihe geht weiter.

Herkunft: Erbstück von Tante Irma aus Wien, tschechisches Qualitätsprodukt, diese Woche in Bonn eingetroffen

Steckbrief: Porzellanfilter, grob gemahlenes Pulver hinein, Aufsatz zum gleichmäßigen Tröpfeln drauf, heißes Wasser aufgießen, läuft sodann in die am besten vorgewärmte Porzellankanne.

Kaffee: sehr kräftig, unverfälscht, ist mir jedoch beim ersten Mal zu dünn geraten. Wegen der groben Mahlung muss man wohl ein bisschen mehr nehmen. Leider passt viel in die Kanne, wird also bei einer kleinen Portion schnell kalt.
Ihr müsst trinken kommen.